Die Königin (Teil 2)

Viele Monde waren vergangen, seitdem der weise Kanzler seine Kundschafter in aller Herren Länder losgeschickt hatte. Nach und nach kehrten sie müde und abgekämpft, aber ohne Ergebnis zurück. Keinem der Kundschafter war es auf seinen Reisen gelungen, einen Ritter ohne Wappen auf seinem Schild zu finden. Sicher, sie hatten genug Edelmänner gefunden, die ihr Interesse an der Königin bekundeten, aber jeder dieser Edelmänner, so berichten die Kundschafter dem Kanzler trug sein Wappen voller Stolz auf seiner Brust. Nur ein Kundschafter, dem der alte Kanzler kein klares Reiseziel aufgegeben hatte, war noch nicht zurückgekehrt. Gespannt und voller Hoffnung auf eine gute Nachricht wartete der Kanzler auf seine Rückkehr, während die Sorgen um seine Königin von Tag zu Tag größer wurden. Rastlos kümmerte sie sich um die Regierungsgeschäfte und die Nöte ihrer Untertan. Sie gab Bankette, sorgte für die Zerstreuung ihre Lieben und vergaß darüber ihre eigenen Wünsche und Freuden.

An manchen Tagen schrieb der alte Kanzler in sein Tagebuch, dass er, so sehr er seine Königin für Leistungen auch bewunderte, sie ihm in seiner Seele Leid täte. Zu hoch sei der Preis den ihr Herz zahlen müsse für das Leben, das sie führte. In diesen dunklen Stunden erinnerte sich der Kanzler, um sich selbst Erleichterung zu verschaffen, an die fröhliche und unbeschwerte Prinzessin, die die Königin einst war und hoffte inständig, dass ein kleiner Teil davon irgendwo in den Tiefen ihres Herzen nach wie vor existierte.

Der Winter verging, ohne das der letzte Kundschafter zurückgekehrt war und mit dem Erwachen der Natur im März, starb in dem Kanzler langsam die Hoffnung auf seine Rückkehr. Schließlich im April kehrte der letzte Kundschafter müde und ausgemergelt von seiner langen Reise mit der frohen Kunde zurück, einen Ritter ohne Wappen auf seinem Schild gefunden zu haben. Nachdem sich der Kundschafter ausgeruht hatte und wieder einigermaßen bei Kräften war, bestellte der Kanzler ihn zu sich. Er ließ sich alle Details der Reise genau berichten, vor allem aber befragte er den Kundschafter ausführlich zu diesem ungewöhnlichen Ritter. Was er dabei erfuhr, stimmte den alten Kanzler hoffnungsfroh und er entschied, den Kundschafter mit der Bitte an diesen unbekannten Ritter, er möge der König seine Ehre erweisen, erneut los zu schicken. Wieder begab sich der Kundschafter, der seine Königin, wie alle anderen ihre Untertanen auch sehr schätzte, auf seine lange und beschwerliche Reise. Der alte und weise Kanzler wusste, dass der Sommer fast vergehen würde, bis der Kundschafter mit dem Ritter ohne Wappen zurückkehren würde, falls dieser Ritter die Einladung überhaupt annehmen würde. Doch nach allem was der Kundschafter über diesen Ritter berichtet hatte, verwarf der Kanzler diesen Gedanken so schnell wieder, wie er ihm gekommen war.

Am Tag vor dem jährlichen Sommerball in den Gärten des königlichen Palastes, sah der alte Kanzler, wie seine Königin an den Pferden und Kutschen ihrer Gäste vorbeiging und diese genau betrachtete. Mit jeder Standarte und goldenem Wappen, das sie sah, schien sich ihr Herz zu verfinstern. Immer noch war die Erinnerung an lange Vergangenes in ihr lebendig. Traurig wandte der alte Kanzler seinen Blick ab und als er gerade zurück in den Palast gehen wollte, vernahm er aus der Ferne das Galoppieren mehrerer Pferde. Er hielt inne und schaute in die Richtung aus der das Galoppieren kam. Schnell erkannte er seinen Kundschafter und in dessen Begleitung einen Ritter in schwarz und rot. Dem Kundschafter war es tatsächlich gelungen, den Ritter wieder zu finden und rechtzeitig zum Sommerball mit ihm zurückzukehren….

 

Fortsetzung folgt

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