Kurvig schlängelt sich die schmale Landstraße die Küste entlang Mit jeden Kilometer Richtung Westen weichen die sanften Sandstrände langsam schroffen, steilen Felsen und steinigen Stränden. Eine Landschaft voller herber Schönheit. Es ist später Vormittag, als ich mein Auto an einem Rastplatz oberhalb eines kleinen Hafens stoppte. An dem Pier liegen drei einfache Fischerboote vertäut. Wartend, auf die bald einsetzende Flut sind die Fischer mit ihren Netzen beschäftigt. Ich gehe den Schotterweg hinunter, der von dem Rastplatz zu dem kleinen Hafen führt. Während ich mir die Boote anschaue, bemerke ich eine Frau, mit langen schwarzen Haaren und einem Korb in ihre Hand, sich auf eines der Boote zu zubewegen. In ihrem Kostüm wirkt diese Frau fremd in diesem Szenario. Kurz bevor sie das Boot erreicht, lässt der Fischer von seinen Netzen ab und geht der Frau entgegen. Sie umarmen und küssen sich, bevor die Frau dem Fischer den Korb gibt und sich winkend verabschiedet.
Vielleicht waren es meine fragenden Blicke, die den Fischer dazu bewogen mich anzusprechen.
“Sie sind fremd hier.Wir sehen hier selten Fremde und schon gar nicht Ausländer. Was machen Sie hier?”
“Nichts besonderes”, erwidere ich. “Eine kurze Reise entlang dieser traumhaften Küste. Eine attraktive Frau haben Sie, gratuliere.” Ein Anflug von Stolz huscht über das Gesicht des Fischers.
“Wollen Sie an Bord kommen und sich mein Boot ansehen?”
“Ja, gerne” antworte ich und betrete das Boot über eine schmale, feuchte Planke.
“Ich habe dieses Boot von meinem Vater geerbt und der von seinem Vater. Wir sind seit vielen Generationen Fischer.”
Ich kenne mich mit Booten nicht aus, aber diese hier scheint wirklich schon viele Jahre alt zu sein.
“Ich werde bald auslaufen. Wenn Sie wollen und nicht seekrank werden, können sie mich begleiten. Keine Sorgen, gegen Abend sind wir wieder zurück.”
Ohne darüber nachzudenken, willige ich ein. Ich war noch nie mit einem Fischerboot auf See. Eine halbe Stunde später laufen wir aus. Nachdem die Küste fast außer Sicht ist, fragt mit der Fischer, ob ich eine Tasse Tee möchte? Ich setze mich der Tasse Achtern auf die Reling.
“Nun stellen Sie schon ihre Frage”, wendet er sich grinsend an mich.
Einen Moment zögere ich.
“Wie kommt ein Fischer zu so einer Frau?”
Der Fischer lächelt verschmitzt.
“Das war gar nicht so einfach. Sie ist Maklerin in der Kreisstadt, 20 Meilen von hier. Deshalb die Kleidung. Ich habe sie bei einem Sommerfest kennengelernt und mich sofort in sie verliebt”.
“Und sie hatte kein Interesse an Ihnen”, werfe ich ein.
“Nein, ganz im Gegenteil. Zuerst telefonierten wir viel und schrieben uns Nachrichten. Natürlich nur, wenn ich nicht auf See war. Eines Abends stand sie dann vor meiner Türe. Den Rest können Sie sich denken.”
“Das klingt doch sehr einfach”, entgegne ich.
“Ja, tut es. Aber es blieb nicht so. Zu Anfang schrieb ich ihr immer Nachrichten, wenn ich wieder im Hafen angekommen war und sie beantwortet diese stets sofort. Einen Augenblick, ich erzähle gleich weiter.”
Der Fischer verlangsamt die Fahrt und wirft seine Netze aus.
“Mit der Zeit kam es immer häufiger vor, dass ihre Antworten erst nach Stunden kamen und nicht mehr so liebevoll waren, wie zu Anfang.”
“Und Sie wurden eifersüchtig,” werfe ich ein.
“Nein, nicht eifersüchtig”, sagt Fischer. “Zweifelnd. Ich fragte mich oft, wenn ich mit meinem Boot draußen zum Fischen war, was eine solche Frau von mir will. Sie hat einen tollen Job und kennt viele wichtige Menschen. Sogar den Bürgermeister. Ich hingegen bin nur ein einfacher Fischer.”
“Das ist doch kein Grund”, unterbreche ich ihn, wohl wissend, dass dies durchaus ein Grund sein kann.
“Sie haben recht”, bestätigt der Fischer. “Ist es nicht. Trotzdem, mein Zweifel wurde immer größer. Natürlich wusste ich, dass die Immobilen Branche seit einiger Zeit sehr schwierig ist und sie viel arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Obwohl ich das wusste, wuchsen meine Zweifel mehr und mehr. Mit der Zeit schickte sie mir immer weniger Nachrichten und rief nur noch selten. In mir kam das Gefühl hoch, ihr nichts mehr zu bedeuten, Jedenfalls nicht mehr so viel, wie am Anfang und ich quälte mich damit jeden Tag. Warum sollte ich sie noch mit Details aus meinem langweiligen Leben belästigen, fragte ich mich eines Tages und mich damit der quälenden Warterei auf eine Antwort weiter aussetzen?”
Der Fischer steht auf, geht zur Kajüte und kehrt mit einer Pfeife in seiner Hand zurück Während er sie anzündet, erzählt er weiter.
“Als sie eines Tages mit kurzen Haaren vom Friseur kam, war mir klar, was das zu bedeuten hat. Ich meine, man hört es in allen Talkshows oder liest es in Zeitschriften. Frauen läuten mit diesem Schritt einen neuen Abschnitt in ihrem Leben ein. Sie schneiden die Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes ab. Sie können sich vorstellen, wie im mich in diesen Tagen fühlte.”
“Oh ja, das kann ich sehr gut.”
“Helfen Sie mir die Netze wieder einzuholen? Sie müssen nur an dieser Kurbel drehen.”
Der Fischer deutet auf eine große Metalkurbel. Nachdem wir die Netze eingeholt haben, dreht der Fischer sein Boot bei und nimmt Kurs auf den Hafen. Untermalt vom sonoren Brummen des Dieselmotors berichtet er weiter.
“Irgendwann kam die Zeit, in der fast ausschließlich ich mich bei ihr meldete und sie nur noch antwortete. Telefoniert haben wir in diesen Tagen gar nicht mehr. Es waren schlimme Tage. Ich saß auf meinem Boot und fand in meinem Zweifel nur noch eine Erklärung, ich war ihr endgültig gleichgültig geworden.”
“Und dann?”, will ich wissen. “Wie ging es weiter?
“Nun, eines Tag nahm ich all meinen Mut zusammen und erzählte ihr, was mich bedrückte.”
“Wie hat sie reagiert?”
“Sie war erstaunt und erklärte mir, dass sie sich sehr ähnlich gefühlt hat, aber vor lauter Stress und Hektik kaum Zeit hatte. Als ich sie auf den Haarschnitt ansprach, lachte sie und sagte: Mir war es nur zu warm im Sommer mit dieser Mähne, Das hat doch nichts mit uns zu tun. Heute verstehe ich sie und ihre Arbeit. Wir reden darüber. Haus verkaufen ist schwierig, das habe ich gelernt. Ich zweifele nicht mehr an ihr oder quäle mich mit wirren Gedanken. Auch wenn sie mal wieder Stunden nicht antwortet, oder vergisst, dass ich aufs Meer hinausfahre. Eine Beziehung zu führen ist eine anstrengende Arbeit. als das Fischen.”
Der Fischer lachte vielsagend.
Langsam erreichen wir in der untergehenden Sonne den Hafen. Als wir anlegen, frage mich der Fischer, ob ich nicht noch eine Kleinigkeit mit ihm und seiner Frau essen wolle. Ich nehme die Einladung gerne an und folge ihm auf einem schmalen Pfad, hinauf zu einem Haus unweit des Rastplatzes, wo mein Auto steht.
“Meine Frau wird sich sicher freuen. Ich bringe selten jemand mit”, sagt der Fischer und fügt auf unheimliche Art wissend hinzu, “wir haben sogar Internet in unserem Haus. Ich meine nur, vielleicht wollen sie es ja nutzen?”