Vor einigen Wochen habe ich morgens in der Huffington Post einen Artikel über eine junge Kanadierin gelesen, die über 3 Seiten ihre Ansprüche an ihren Partner aufgelistet. In der Summe beliefen sich die für sie nicht verhandelbaren Punkte auf über 30. Nur dann wäre er perfekt. Als ich den Artikel fertig gelesen hatte, vergewisserte ich mich, dass als Einleitung nicht “Lieber Weihnachtsmann” oben stand. Dann wäre es immerhin lustig gewesen. So blieb nur ein fortgesetztes “Ich will…” im Gedächtnis. 2 Wochen später schrieb mir eine alte Freundin erfreut, dass sie endlich den perfekten Partner gefunden habe. Dabei schränkte sie sofort ein, dass sie ihn nicht liebt. Was für eine Partnerschaft übrigens viel besser sei, wie sie Lebenserfahren hinzufügte.
3 Wochen danach rief mich mein Kundenberater des Autohauses an, bei dem ich seit Jahren meine Autos kaufe. Er berichtete mir von den vielen Vorteilen, welche die neue Modellgeneration meines Autos haben wird und dass dieses Modell das perfekte Auto für mich sein wird.
Das ganze brachte mich zum Nachdenken. Wenn in drei Jahren, bei der nächsten Modellpflege, das Auto noch perfekter wird, muss ich das unbedingt haben. Weil kaufen zu viel Kapital bindet wird das Auto der einfachheithalber geleast. Soweit so logisch und pragmatisch. Was aber wenn wir dieses Prinzip auch auf unsere Partnerschaften anwenden? Wir limitieren unsere Partnerschaft von Anfang an auf 3 Jahre und 2, 3 Monate vor Ablauf machen wir uns auf die Suche nach einem besseren, noch perfekteren. Den behalten wir wieder für 3 Jahre, bis er wieder von einem noch perfekteren abgelöst wird. Auf diese Art hätten wir immer den perfekten Partner und, ein nicht zu verachtender Vorteil, wir hätten ihn nie lange genug, dass wir uns um “Defekte” Sorgen machen müssten. Wäre das nicht praktisch und perfekt?
Einen Tag später, bei einem Kaffee habe ich über mein Auto nachgedacht. Es ist wirklich nahezu perfekt. Sehr schnell, komfortabel, verbraucht kaum Treibstoff und hat alle Features, die man sich wünschen kann. Aber im Gegensatz zu den anderen Autos, die ich früher besessen habe, habe ich keinerlei emotionale Bindung zu diesem Fahrzeug. Anders gesagt, es ist mir in seiner Perfektion gleichgültig. Ich erinnerte mich an mein 2. Auto. Es war nicht nur besonders “zickig”, sprang nur an, wenn es wollte, sondern es hatte auch die Eigenschaft nicht benötigte Teile, wie Bremsleitungen einfach abzuwerfen. Es war also weit weg von perfekt. Trotzdem habe ich es geliebt, wie kein anderes und den TÃœV-Gutachter als Totengräber dieser wundervollen, aber schwierigen Liebesbeziehung verachtet. Diese sentimentale Reise in die Vergangenheit führte mich zu der Frage, ob ich als nächstes Auto wieder ein perfektes, aber letztlich emotional langweiliges Auto haben möchte, oder ob ich meinen Emotionen unvernünftig freien Lauf lasse und mir das kaufe, von dem ich schon immer träume. Unpraktisch, spritfressend, politisch inkorrekt. Mit Sicherheit werden sich Freunde, Bekannte und Nachbarn naserümpfend fragen, was will er denn mit dem “Ding” und hinzufügen, der alte war doch viel besser. Für sie vielleicht, aber für mich?