Der Mann mit dem Hund: Drei Wölfe – Kapitel 3 – Die längste Nacht

 

   Ich saß an meinem Schreibtisch und machte mir Notizen über das, was ich in den letzten Tagen gelesen hatte. Im Verlauf der Lektüre seines Tagebuchs hatte ich mich über vieles gewundert. Über den Mann, seinen Brief und über seine, was auch immer sie zu diesem Zeitpunkt für ihn war. Vor allem über die Art ihrer Beziehung. Alles war mehr als ungewöhnlich. Zudem hatte ich einiges in seinen Aufzeichnungen nicht vollkommen verstanden. Es ergab für mich keinen Sinn. So, als würden wichtige Informationen fehlen. Informationen, die für den Schreibenden selbstverständlich waren und er sie deshalb nicht mehr erwähnte, die mir aber unbekannt waren. Zum Beispiel das Zeichen, von dem der Mann geschrieben hatte. Was hatte er damit gemeint? Ich lehnte mich zurück und begann mir Gedanken über die Form der Kommunikation zwischen den beiden zu machen. Weshalb hatten sie monatelang hauptsächlich per E-Mail korrespondiert, nur äußerst selten miteinander telefonierten und sich nie getroffen? Dem Mann gefiel das nicht sonderlich und ich konnte nur zu gut verstehen warum. Diese eingeschränkte Form der Kommunikation hatte viele Nachteile. Private E-Mails werden zumeist schnell geschrieben. Der Verfasser macht sich dabei oft wenig Gedanken über Formulierung oder Inhalt. Zudem haben E-Mails etwas Unpersönliches. Egal wie persönlich sie geschrieben sein mögen. Das größte Problem an rein schriftlichem Kontakt ist aber, dass er es gestattet die wahren Gedanken und Gefühle hinter knappen Sätzen und stereotypen Floskeln zu verbergen. Nicht das in E-Mails per se gelogen wird, sie machen es nur leichter gewisse Dinge zu verschleiern. Während eines Telefongesprächs, insbesondere, wenn man seinen Gesprächspartner gut kennt, kann man schon Anhand seiner Stimme oder der Art und Weise, wie er sich ausdrückt erkennen, in welcher Stimmung sich dieser wirklich befindet. Mir wurde bewusst, dass der Zugriff auf sein Tagebuch alleine keinesfalls ausreichend war, um vollständig verstehen zu können, was vor sich ging. Viel zu oft hatte sich der Mann in seinem Tagebuch auf die E-Mails der beiden bezogen. Deshalb benötigte ich auch Zugriff auf seine E-Mails. Obwohl es nur ein paar Mausklicks waren, hatte ich zunächst wieder Bedenken und wie vor einigen Tagen siegte schlussendlich meine Neugier. Einen Moment später hatte ich einen Ordner mit ihrem Vornamen in seinem E-Mail-Programm gefunden. Ich staunte nicht schlecht als ich sah, dass sich die beiden im Laufe der vergangenen 2 Jahre fast 2000 E-Mails geschrieben hatten. Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis ich mich durch diese Unmenge gearbeitet habe. Dazu kamen noch die Tagebücher des dritten und vierten Quartals, sowie die Unzahl kleinerer Dateien, die in diesem Unterordner lagen, dem ich bislang keine Beachtung geschenkt hatte. Neugierig fing ich an, mich durch diese Unmenge von E-Mails zu kämpfen. Logisch betrachtet war es unsinnig mit den ältesten zu beginnen, aber ich versprach mir davon einen Einblick in die Entstehung ihrer Beziehung. Die ersten paar Dutzend stammten aus dem Herbst und Winter 2010. Es waren nichtssagende E-Mails mit diesen, meist nicht wirklich lustigen Anhängen, die gerne von Büro zu Büro verschickt werden und die fast ausschließlich von ihr gesendet worden waren. Es verging fast eine Stunde, bis ich auf die erste, wirklich interessante E-Mail stieß. Von dieser ausgehend, konnte man die Entwicklung von einer Bekanntschaft zu einer Beziehung verfolgen. Langsam stetig steigend. Wie zwei Katzen schlichen sie verbal um sich herum. Sie belauerten sich in der Erwartung, der Andere würde zuerst diese Worte schreiben. Diese magischen Worte, die die meisten Menschen so gerne lesen. Es war ein Wortgefecht auf hohem Niveau, das ich so nicht erwartet und auch nie zuvor in dieser Weise gelesen hatte. Einige Menschen sind der Ansicht, die ich nur bedingt teile, Gedichte seien der Spiegel der Seele und am 12. April 2011 schickte sie ihm ihre Lieblingsgedichte. Wenn man so will, das Spiegelbild ihrer Seele, ihr Innerstes. Der Mann verstand und fand in seiner Antwort die richtigen Worte. Sie nannte es die 100 Punkte Antwort. Beim Lesen war mir aufgefallen, dass sie stets über ihre geschäftliche E-Mail-Adresse geschrieben hatte, dank der ich nun auch ihren Nachnamen kannte. Für sehr private E-Mails eher ungewöhnlich oder leichtsinnig. Der Mann hingegen nutzte eine E-Mail-Adresse eines großen Providers und statt seines Namens führte diese nur seine Initialen vor dem @ Zeichen. Nach diesem Blick auf die Entstehungsgeschichte der Beziehung beschloss ich, die weiteren E-Mails bis zu den aktuellen zu überspringen und diese jeweils passend zu seinem Tagebuch zu lesen. Die ausgelassenen konnten nach meinem derzeitigen Wissensstand nichts Wichtiges beinhalten. Jedenfalls nichts, was den Satz des Mannes erklären konnte. Dazu lagen sie viel zu lange zurück. Über das Lesen der E-Mails und der Arbeit an meinen Notizen hatte ich ganz vergessen, dass ich Maria anrufen und zum Abendessen einladen wollte. In gewisser Weise war ich froh darüber, dass ich es vergessen hatte. Mein Kopf war noch voller unsortierter Gedanken und Marias Leichtigkeit hätte ich an diesem Abend als eher störend empfunden.

   Gegen 9 Uhr setzte ich am nächsten Morgen meine Arbeit fort. Das dritte Quartal seines Tagebuchs begann ähnlich, wie das zweite aufgehört hatte. Es herrschte trotz oder gerade wegen des Briefes relative Funkstille zwischen den beiden. Knapp zwei Wochen nachdem er seinen Brief verschickt hatte, verstärkte sich der Kontakt zwischen ihnen langsam wieder. Der Auslöser hierfür war ihre Antwort auf seinen Brief, die sie ihm ebenfalls als Brief zukommen lassen hatte. Im Gegensatz zu dem Mann hatte sie ihren Brief jedoch eigenhändig in seinen Briefkasten geworfen. Leider ging der Mann in seinem Tagebuch nicht so ausführlich wie ich es erhofft hatte auf den Inhalt ihres Briefes ein. Es hatte den Anschein, dass sein Inhalt ihn wenig überrascht hatte. Beinahe so, als hätte er ihn in dieser Form erwartet. In diesem Moment wäre es überaus hilfreich gewesen den Inhalt ihres Briefes zu kennen. Aber stattdessen musste ich mich mit seiner ungewöhnlich knappen Einschätzung dieses durchaus bemerkenswerten Vorgangs begnügen. Lediglich über ihren letzten Satz und dessen Ernsthaftigkeit machte er sich ein paar ausführlichere Gedanken, jedoch ohne seinen genauen Wortlaut zu erwähnen. Letztlich kam er zu dem Schluss, dass dieser nur eine äußerst missratene Schutzbehauptung darstellen konnte. Ohne Kenntnis dieser scheinbar nicht unwichtigen Aussage konnte ich nur sinnlos spekulieren, worum es in diesem Satz ging. Trotz dieses Briefverkehrs und der sich im Anschluss daran weiter verstärkenden Kommunikation per E-Mail befanden sie sich weiterhin im Niemandsland zwischen einer Freundschaft und einer Beziehung. Am 7. Juli folgte ein überraschender Eintrag. Der Mann beschrieb in seinem Tagebuch sehr ausführlich seine Gedanken über einem zweiten Brief, den er an diesem Tag begonnen hatte ihr zu schreiben. Die langen und teils komplizierten Einträge der folgenden Tage überflog aus Bequemlichkeit ich nur kurz. Deren Inhalt würde später zusammengefasst ohnehin in dem Brief stehen, von dem ich hoffte., er hatte diesen, wie schon seinen ersten, ebenfalls komplett in sein Tagebuch übernommen. Ein zweiter Brief. Deshalb hatte der Mann in seinem ersten lediglich von seiner Erlebniswelt geschrieben, nicht aber von seinen Gefühlen. Er musste von Anfang an den Plan gehabt haben zwei Briefe zu schreiben. In seinem ersten Brief war mir aufgefallen, dass er seine Entscheidungen mit historischen Beispielen aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts belegte. Die Art, diese Beispiele in seinem Brief zu integrieren, ließ auf ein hohes Bildungsniveau, zumindest aber auf ein ausgeprägtes Interesse an Geschichte schließen. Deswegen war ich auch nicht über die Art und Weise erstaunt, wie er seinen zweiten Brief seiner, ich nenne sie jetzt der Einfachheit halber Freundin, in einer E-Mail ankündigt hatte. Kurz nachdem der Mann mit der Arbeit an diesen zweiten Brief angefangen hatte, sendete er seiner Freundin eine E-Mail, die lediglich die 1. Zeile des Gedichtes „Herbstlied“ von Paul Marie Verlaine beinhaltete. Erneut bediente sich der Mann eines historischen Beispiels, dass jedoch im Gegensatz zu den in seinem Brief genannten ohne fundierte Geschichtskenntnisse außerordentlich schwer zu verstehen war.  Diese Gedichtzeile konnte ohne Zweifel nur der Hinweis auf ein bald folgendes Ereignis sein. In diesem Fall auf seinen zweiten Brief. Im zweiten Weltkrieg hatten die Alliierten dieses Gedicht benutzt, um die französische Résistance darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Endphase der Vorbereitungen für die Landung in der Normandie angelaufen war. Folgte die zweite Zeile, so war mit der Landung innerhalb der nächsten 48 Stunden zurechnen. Für seine Freundin sollte das heißen, es ist etwas im Gange, warte ab. Warte auf die zweite Zeile, danach wird etwas geschehen. Zugegeben, seine Vorgehensweise lag weit außerhalb jeder Normalität und ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Frau auch nur die leiseste Ahnung haben konnte, was ihr der Mann mit dieser Gedichtzeile sagen wollte. Der zweite Brief, den er am 15.7. abgeschickt und an diesem Tag in sein Tagebuch übernommen hatte, behandelte wie von mir erwartet seine Gefühle der letzten Monate. Er unterschied sich in Aufbau und Inhalt grundlegend von seinem ersten und auch von allen anderen Briefen, die ich bislang in meinem Leben gelesen hatte. Der Mann hatte jedem Abschnitt ein passendes Lied zugeordnet und dem Brief einen USB-Stick mit den Liedern beigelegt. Zuerst las ich lediglich den Brief, hörte mir die den Abschnitten zugeordneten Lieder aber nicht an. Obwohl ich eine große Musiksammlung mein Eigen nenne, besaß ich einige Stücke davon nicht. Es dauerte eine Zeit, bis ich alle Lieder in einem Online-Musikgeschäft gefunden hatte. Ich hörte mir die Lieder in der von ihm gewählten Reihenfolge an und las nebenbei nochmals seinen Brief. Hielt man sich an diesen geplanten Ablauf des Briefes, wie es seine Freundin sicherlich getan hatte, dann war er von überwältigender Wirkung. Von seinen ausgewählten Stücken gefiel mir besonders eine Coverversion von Metallicas „Nothing else matters“, die von einer englischen Künstlerin namens Lucie Silvas gesungen wurde und über die eingefleischte Metallica-Fans, so konnte ich mir durchaus vorstellen, sicherlich nicht besonders begeistert waren. Den Grund, warum er ausgerechnet diese Coverversion und nicht das Original wählte, hatte der Mann zuvor in seinem Tagebuch erwähnt. Er wusste, dass seine Freundin Frauenstimmen bevorzugte. Auf diese Art konnte er dieses Lied, das mit dessen Text eine zentrale Bedeutung in diesem Brief einnahm, mit einer Frauenstimme vereinen. Es dauerte zwei weitere Tage, bis ich sein Tagebuch und die dazu gehörigen E-Mails bis Ende Juli gelesen hatte. Im Anschluss an seinen zweiten Brief herrschte zunächst fünf Tage absolute Ruhe. Dann setzte eine Flut von hin und hergehenden E-Mails ein. Am 26. Juli war es dann soweit. Ein Telefonat am späten Nachmittag, dessen kurzer Wortlaut der Mann in sein Tagebuch übernommen hatte und mich herzhaft schmunzeln ließ, führte direkt in eine gemeinsame Nacht. Die beiden waren, nach dem sie sich über Monate nicht gesehen hatten, an diesem Tag wieder ein Paar geworden. Der Mann, der dabei mehr als ungewöhnliche Wege gegangen war, um sie wieder zurück zu gewinnen, war seinen Aufzeichnungen zufolge sehr glücklich. Auch wenn der letztlich entscheidende Schritt mit diesem kurzen, in seiner Aussage mehr als deutlichen Telefonat von ihr ausgegangen war. Genauso beeindruckt, wie von der Auswahl seiner Lieder, war ich von einem einzelnen Lied, dass sie ihm kurz nach dem die beiden wieder zueinandergefunden hatten als Link auf ein Video per E-Mail zukommen lassen hatte. Der Interpret überraschte mich. Die Schweizer Hardrock Band Gotthard. Auch wenn es bei dem von ihr ausgewählten Stück um eine Ballade handelte, wollte diese Musikrichtung nicht so richtig zu dem Eindruck passen, den ich von dieser Frau gewonnen hatte. Da ich diese CD selbst besaß und sie mir im Laufe der Jahre oft genug angehört hatte, kannte ich auch den Text von „Heaven“ annähernd komplett auswendig. Ich ging davon aus, dass sie dieses Lied wegen seines gesamten Textes und nicht wegen des Refrains ausgewählt hatte. Viele Menschen haben ein Lied, dass eine bestimmte Situation in ihrem Leben beschreibt oder ihre Gefühle zu einem bestimmten Zeitpunkt wiederspiegelt. Meistens aber ist lediglich der Refrain oder eine bestimmte Textstelle zu treffend. Das von ihr gewählte Lied hingegen schien exakt ihre emotionale Verfassung zu diesem Zeitpunkt widerzuspiegeln. Mir ging dieses Lied und besonders einige Zeilen immer wieder durch den Kopf: „Laß mich meinen Weg nach Hause finden. Ich will, dass diese Liebe für immer währt“. Ich tat mir schwer mit der Vorstellung, dass ihre Gefühle für den Mann nach all den Monaten ebenfalls noch so stark waren, wie seine für sie. Je länger ich über dieses Lied nachdachte, desto mehr beschlich mich das Gefühl, dass sie mit diesem Lied noch etwas Anderes ausdrücken wollte, dass nur der Mann verstehen konnte. Liebeslieder gab es wahrlich mehr als genug und dieses war eines der eher ungewöhnlicheren. Ein wenig unerklärlich blieb mir, warum sich die beiden mit diesen Liedern sich Worte anderer bedienten, um ihre eigenen Gefühle auszudrücken. Nach meinem Dafürhalten hatte zumindest der Mann dies nicht nötig. Sicher, Lieder haben etwas Bleibendes, dass einen durch das ganze Leben begleitet und immer, wenn man dieses Lied, beabsichtigt oder zufällig hört, erinnert man sich an diese Zeit oder diese Person. Selbst ich hatte, mehr zu meinem Leidwesen, solche Lieder. Zum Beispiel „Song instead of a kiss“ von Alannah Myles. Geraldine hatte mir die CD während unserer ersten Beziehung im Sommer 1992 geschenkt, kurz bevor ich längere Zeit für die Firma ins Ausland ging. Bis heute erinnert mich dieses Lied, jedes Mal wenn ich es höre, an Geraldine und diesen Tag. Mehr als die Musik beschäftigte mich allerdings die Frage, wie es möglich sein konnte, dass ihre Gefühle, obwohl die beiden sich länger als ein halbes Jahr nicht gesehen hatten, noch immer so stark waren. Ließ man Geraldine außen vor, hatte ich bislang immer frei nach dem Motto gelebt und gehandelt: Aus den Augen, aus dem Sinn. War eine Beziehung zu Ende, dann war sie für mich auch beendet. Bei den Beziehungen, die ausnahmsweise nicht ich beendet hatte, hatte ich mir nie die Mühe gemacht, um sie zu kämpfen. Den Versuch unternommen, ein totes Pferd zu reiten. Dazu erschien mir keine der Frauen als wichtig genug und in der Regel fand sich umgehend Ersatz für die abhandengekommene Dame. Liebe war für mich immer ein diffuses Gemisch verschiedener, nicht erklärbarer und noch weniger definierbarer Gefühle gewesen. Vor vier oder fünf Jahren hatte eine meiner Exfreundinnen mich einmal gefragt, ob ich an die Liebe glaube. Ich gab ihr damals zu Antwort: Liebe gibt es. Im Kino. Kostet 15 Euro. Auch die in einer Beziehung notwendigen Kompromisse widerstrebten mir zu tiefst. Warum sollte ich mich oder mein Leben meiner Freundin zu liebe umstellen oder auf mir liebgewordene Gewohnheiten verzichten, nur damit sich meine Freundin angeblich besser fühlt. Um beurteilen zu können, ob ich, wie der Mann, oder auch seine Freundin um eine Beziehung kämpfen, alles versuchen würde, müsste ich schon in eine vergleichbare Situation geraten. Glücklicherweise bin ich davon bis heute verschont geblieben und ich hoffte, nein ich war mir sicher, dass dies für den Rest meines Lebens so bleiben wird.

   An dieser Stelle unterbrach ich meine Arbeit für einen kurzen wohlverdienten Mittagsschlaf. Als ich nach einer Stunde wieder erwachte, machte ich mir zunächst einen Kaffee, bevor ich an meine Schreibtisch zurückkehrte. Für wenige Tage wurden seine Tagebucheinträge sehr kurz und wirkten überaus glücklich. Ein Zustand, der nicht von langer Dauer war. Halbwegs verunsichert schrieb er kurz darauf, dass seine Freundin täglich, vielfach in Begleitung ihrer Mutter ihren Exfreund besuchte, der mit einer gebrochenen Schulter etwa 50 Kilometer entfernt in einem Krankenhaus lag. Er hatte den Eindruck, dass diese Besuche ihr überaus wichtig seien. So wichtig, dass sie sogar zwei geschäftliche Termine deswegen verschob. Nicht nur der Mann, auch ich war irritiert. Ein Verhalten, dass nur sehr schlecht mit einer gerade wieder entstandenen Beziehung in Einklang zu bringen war. In seinem Tagebuch setzte sich der Mann mehrfach damit auseinander, ob er sie darauf ansprechen sollte wie wenig ihm das gefiel. Da er sich nicht sicher war, wie sie reagieren würde und er in Anbetracht der letzten Monate einen aus seiner Sicht unnützen Streit vermeiden wollte, beschloss er zu diesem Thema besser zu schweigen. Er versuchte ihr Verhalten mit ihrem Helfersyndrom zu entschuldigen, wie sie ihr ungewöhnlich hilfsbereites Verhalten gegenüber Menschen, die für sie von außerordentlicher Bedeutung waren einmal selbst genannt hatte. Nach meiner Ansicht war ihr Gebaren einem Exfreund gegenüber, selbst wenn sie noch freundschaftliche Gefühle für ihn hegte, nicht normal und der Mann redete sich ihr Verhalten schön. Zumal sie, wie er etliche Male schrieb, nach ihrer Rückkehr von diesen Besuchen abends so müde war, dass sie nur noch zuhause ihre Ruhe haben wollte. Ich war überzeugt, dass die Ereignisse dieser Tage einen minimalen Riss, ein Grundmisstrauen in der Beziehung hinterlassen mussten, welches nur schwer wieder abzubauen war. Aber ich hatte noch Bedenken ganz anderer Art. Ich war nicht abschließend davon überzeugt, ob diese Besuche letztlich einzig von ihr ausgegangen waren oder, und auch das war ein Gedanke, der nicht vollkommen von der Hand zuweisen war, seine Freundin zu ihrem Handeln von wenigstens einer Person aus ihrem Umfeld, die sich den Status Quo Ante wieder zurückwünschte, zumindest unter Ausnutzung ihrer Hilfsbereitschaft, animiert wurde. Wie leicht es ist einen Menschen zu manipulieren wusste ich aus jahrelanger Erfahrung. Für diese These sprach zudem, dass seine Freundin ihn stets über ihre Besuche in Kenntnis gesetzt hatte, also offensichtlich ehrlich sein wollte. Obwohl es ihr ein leichtes gewesen wäre, diese Besuche als geschäftliche Termine zu deklarieren oder noch besser, sie einfach komplett zu verschweigen. Anderseits, und auch das wusste ich aus Erfahrung, war es hilfreich die Wahrheit über eine Tatsache zu sagen, wenn man bestimmte Motive dahinter verbergen wollte. Welche Beweggründe es auch immer waren, sie schien sich dabei nicht im Klaren zu sein, was ihre Handlungsweise in dem Mann auslöste.

   Später am Abend ging ich bei einem Glas Bordeaux meine Notizen des Tages nochmals durch und blieb bei diesen Krankenbesuchen hängen. Ich erinnerte mich an ein Ereignis, welches sich vor zwei Jahren in meinem Bekanntenkreis zugetragen hatte. Ein halbes Jahr nach der Scheidung bekam die Exfrau eines Bekannten ein erhebliches Alkohol- und Tablettenproblem. Obwohl die beiden nur 3 Jahre verheiratet waren, fühlte Ihr Ex-Ehemann für sie verantwortlich. Er besorgte ihr einen Therapieplatz und besuchte sie in dieser Einrichtung so oft er konnte. Seine neue Freundin, mit der er seit ein oder zwei Monaten liiert war, trennte sich sofort von ihm, als sie davon erfuhr. In ihren Augen waren seine Sorgen um seine Exfrau und die Besuche ein eindeutiger Beweis, dass er mit seiner Ehe nicht abgeschlossen hatte.

   Nach einem kleinen Mittagessen setzte ich am nächsten Nachmittag, gespannt auf das, was ich lesen würde meine Lektüre fort. Aus dem Tagebuch des Mannes und seinen E-Mails, entnahm ich, dass sich ihre Beziehung trotz dieser Irritationen Anfang August festigte. Daher verwunderte mich zunächst die Tatsache, dass sie in der zweiten Hälfte des Monats ein paar Tage alleine in Urlaub geflogen war. Dafür aber gab es eine plausible Erklärung. Seine Freundin hatte diese Reise gebucht lange bevor sie die Beziehung wiederaufgenommen hatte und wollte nicht auf ihre sicher verdienten Urlaubstage verzichten. Weniger erklärbar war ihr Verhalten, als sie aus dem Urlaub zurückkehrte. Der Mann hatte sie an diesem Samstagmorgen vom Flughafen abgeholt und zu ihr nach Hause gefahren. Während der Fahrt hatte sie ihm eröffnet, dass sie im Anschluss ihren Hund, den sie während ihres Urlaubs in die Obhut ihrer Mutter gegeben hatte, abholen wollte und sie das ganze Wochenende bereits mit ihrer Familie und ihren Freunden verplant hatte. Ich war reichlich erstaunt das zu lesen. Üblicherweise wollen frische verliebte Paare nach ein paar Tagen der Trennung zunächst Zeit miteinander verbringen, anstatt sich nur kurz zu sehen, um dann wieder für ein paar Tage getrennte Wege zu gehen. Betrachtete man dieses Ereignis im Kontext mit ihren Krankenbesuchen begann sich ein fragwürdiges Bild dieser Beziehung abzuzeichnen. Unverkennbar war ihr es wichtiger, ihr Leben so weiter zu leben, wie sie es gewohnt war, bevor sie mit dem Mann wieder eine Beziehung hatte. Ich fand für diese Einstellungen nur eine Erklärung. Der Mann bedeutete ihr in Wirklichkeit wesentlich weniger, als sie in ihren E-Mails vorgab. Im Gegensatz zu mir, schien der Mann diesem Ereignis keine besondere Bedeutung bei zu messen. Anders als bei ihren Krankenbesuchen, kommentierte er in seinem Tagebuch diese Begebenheit nicht weiter. In den darauffolgenden Tagen setzte sich die Beziehung scheinbar weitgehend normal fort. Liebevoll schrieb er über eine Nacht, die er als die schönste und intensivste die er je erlebt hatte beschrieb. Er nannte sie die längste Nacht. Die beiden hatten sich in jener Nacht bis morgens um fünf geliebt. In der Schilderung sehr viel deutlicher und wesentlich detaillierter beschrieb er im Weiteren einen Samstagabend in absolut nicht jugendfreier Weise, an dem sich beide mehr als offen gezeigt hatten und in gleicher Art den folgenden Sonntagnachmittag, an dem sie alle Register weiblicher Verführungskunst gezogen hatte. Trotz dieser Schilderungen gewann ich nicht den Eindruck, dass sich die Beziehung der beiden nur um Sex drehte, obwohl er ihnen kaum überlesbar wichtig zu sein schien. Im Gegenteil. Der Mann schrieb deutlich mehr er über ihren Alltag. Darüber, wie er sie, wenn sie eine ihrer vielen Geschäftsreisen ins Ausland führte, zum Flughafen brachte und sie wieder abholte, wie er für sie einkaufen ging und welches Glück er dabei empfand, weil er endlich das Gefühl hatte, alles sei jetzt perfekt. Wie glücklich er war, konnte ich seiner Schilderung zweier gemeinsame Nächte entnehmen, in denen er es genoss, nur neben ihr zu liegen und sie beim Schlafen zu betrachten. Diese Grundstimmung hielt bis Mitte September an. Dann fuhr seine Freundin für eine Woche zu einer Messe nach Berlin. Mit Beginn der Messe veränderte sich in meinen Augen die Art ihre Kommunikation. Die überwiegende Zahl ihrer E-Mails wirkte distanziert, manche fast kalt. Zunächst wusste ich nicht, wie ich diese Veränderung einordnen sollte, zumal der Mann sie nicht zu bemerken schien, oder ihr keine Bedeutung zumaß. Letztlich schob ich sie dem während einer Messe herrschenden Zeitmangel, mit all seinen Terminen, die wie sie schrieb oft bis tief in die Nacht hineinreichten zu. Ein paar Tage nach ihrer Rückkehr hatte sich, soweit sich das Anhand der E-Mails beurteilen ließ, alles wieder normalisiert. Nur ein Eintrag Ende September stach mir ins Auge. In diesem hatte der Mann geschrieben, dass er an jenem Abend versucht hatte seine Freundin zu verführen, diese jedoch seine Avancen mit der schroffen Bemerkung: „Wenn ich Sex haben will sage ich das, ansonsten will ich nicht. Merk dir, die Frau entscheidet, wann es Sex gibt und fass mich nie wieder unaufgefordert so an“, zurückgewiesen hatte. Anschließend hatte sie den gemeinsamen Abend abgebrochen und war zu sich nachhause gefahren. Ich schüttelte innerlich den Kopf über diese Äußerung, maß ihr aber, wie der Mann offenkundig auch, keine große Bedeutung zu. Solche Bemerkungen, so oder in ähnlicher Form, sind wohl beinahe jedem Mann schon einmal begegnet.

   Inzwischen war es kurz nach 18 Uhr und ich hatte Hunger bekommen. Ermattet vom Lesen seines Tagebuchs und der vielen E-Mails, hatte ich keine Lust mehr zu Kochen. Da mir an diesem Abend nicht der Sinn nach Maria stand und ich, nach unserem unglücklich verlaufenen letzten Treffen, mein Verhältnis zu Geraldine wieder verbessern wollte, rief ich sie an und erkundigte mich, ob sie mit mir Essen gehen würde. Wir verabredeten uns um 19:30 in einem griechischen Restaurant, von dem ich wusste, dass es dort einen Raucherbereich gab. Sich mit Geraldine in einem Restaurant zu verabreden in dem Rauchverbot bestand, war ein sicherer Garant dafür, dass der Abend nicht sonderlich angenehm wurde. Als ich, wie immer zu spät, in dem Restaurant ankam, wartete Geraldine am Tisch bereits auf mich. Ihre spöttische Bemerkung zur Begrüßung:
„Bist du zu spät, weil du noch auf den Babysitter warten musstest?“
überging ich und begrüßte sie freundlich. Nach dem wir mit der Vorspeise fertig waren, wollte sie den Grund für dieses für sie überraschende Abendessen erfahren. Immerhin waren einige Monate vergangen, seit wir das letzte Mal zusammen essen gegangen waren.
„Wolltest du den heutigen Abend mit einer erwachsenen Frau verbringen oder hat es noch einen anderen Grund, mein Liebling?“
Jeden, den sie besser kannte Liebling zu nennen, war typisch für Geraldine. Kurz bevor ich die Firma verließ, hatte sie einen Mann kennen gelernt und eine Beziehung mit ihm begonnen. Er war Physiker und im Gegensatz zu Geraldine ein eher introvertierter und ruhiger Mensch. Die beiden waren etwa 4 Monate ein Paar, als er mich eines Abends überraschend aufsuchte und mich um Rat fragte. Er erzählte mir, wie schwer er sich damit tat, dass Geraldine jeden x-beliebigen Liebling nannte und häufig Erfolge ihre Mitarbeiter mit: „Ich hab Dich lieb“, honorierte. Er wollte diese Worte exklusiv für sich haben. Nach seiner Meinung gehörten diese Worte in eine Beziehung und nicht in den allgemeinen Sprachraum. Die inflationäre Benutzung durch Geraldine kränkte und verunsicherte ihn. Ich versuchte ihn zu beruhigen und erklärte ihm, das wäre typisch für Geraldine und diese Worte an andere hätten mit Sicherheit nicht die Bedeutung, die er ihnen beimaß. Ein Mensch mit seiner Intelligenz hätte das nach meiner Meinung selbst erkennen müssen. Aber wenn Gefühle im Spiel und zudem verletzt worden sind, nutzt Intelligenz nichts und insgeheim musste ich ihm sogar Recht geben. Auch mich hatte das an Geraldine während unseren Beziehungen immer wieder gestört. Selbst ich wollte nicht, dass meine Freundin mit dem Wort Liebling, oder noch schlimmer, mit „ich hab dich lieb“ derart entwertend um sich warf. Ihm dies zu sagen erschien mir damals aber als kontraproduktiv und wenig zielführend. Etwa 1 Monat später trennte er sich von Geraldine. Ich vermutete, dass diese Wortwahl Geraldines einer der Gründe, wenn nicht der überragende Grund, dafür war und wie ich gerade wieder hören musste, hatte sich das bei Geraldine bis heute nicht geändert.
„Ich wollte dich einfach mal wiedersehen und hören, wie es dir geht, was du so machst. Und nenn mich nicht Liebling. Wir sind kein Paar!“, beantwortete ich ihre Frage und betonte dabei meine letzten beiden Sätze.
Geraldine lächelte, aber ich hatte das Gefühl, sie glaubte mir nicht.
„Wer wird denn so empfindlich sein? Wann schreibst du endlich ein neues Buch? Seit deiner letzten Veröffentlichung ist über ein Jahr vergangen“, wechselte sie abrupt das Thema.
Einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob ich ihr die Wahrheit sagen sollte. Ich war mir sicher, dass sie, wie die anderen meiner Freunde auch, wieder ein Buch auf dem Hintergrund meiner Erlebnisse in der Firma erwartete.
„Ich bin neulich auf eine Geschichte gestoßen, die interessant sein könnte. Aber diesmal geht es nicht um Spionage oder ähnliches, sondern um eine sehr menschliche Geschichte.“
Ich erzählte ihr von meiner Begegnung mit dem Mann im Park, seinem denkwürdigen Satz und in groben Zügen davon, ohne näher auf Details einzugehen oder wie ich an diese Informationen gekommen war, was ich bislang erfahren hatte. Als ich fertig war, schaute Geraldine mich lange und fragend an, bis sie schließlich mit voller Überzeugung sagte:
„Klingt interessant. Aber du über menschliches schreiben? Am Ende noch über Gefühle? Möchtest du nicht lieber über etwas schreiben, von dem du Ahnung hast?“
Ganz Unrecht hatte sie damit nicht. Von Beziehungen und den Schwierigkeiten, die es in ihnen geben konnte hatte ich, obwohl ich in den letzten Jahren viele Freundinnen gehabt hatte, nur eine dunkle, für mich aber grundsätzlich ausreichende Ahnung. Für mich waren sie mehr Zeitvertreib und ich hatte eine rationale und effiziente Umgangsweise mit diesem Thema kultiviert.
„Was soll ich sagen, du hast Recht“, entgegnete ich ihr und fügte Einsicht heuchelnd hinzu: „Aber vielleicht kann ich dabei etwas lernen. Du weißt ja, es ist nie zu spät um damit anzufangen.“
Geraldine schmunzelte und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Jene Art Blick, der bei einer Frau alles oder rein gar nichts bedeuten konnte. Wir wechselten das Thema und unterhielten uns, wie wir es gerne taten, wenn wir nicht weiter über ein bestimmtes Thema reden wollten, über alte Zeiten. Wer von damals noch in der Firma war und was aus denen geworden war, die wie ich ausgestiegen waren. Darüber vergaßen wir völlig die Zeit, bis der Wirt uns gegen 24 Uhr höflich, aber bestimmt deutlich machte, dass er gerne Schließen wollte. Geraldine verabschiedete sich auf dem Parkplatz von mir mit dem Versprechen, ich würde sie ganz sicher an meinem Geburtstag wiedersehen.

   Der November war zur Hälfte vergangen und es war noch etwas über eine Woche bis zu meinem Geburtstag. Als Kind hasste ich meinen Geburtstag, weil er genau einen Monat vor Heiligabend liegt und ich, mit Hinweis auf das baldige Weihnachten, immer nur kleine Geschenke bekommen hatte. Mit zunehmendem Alter hatte sich das aber geändert. Heute war mir mein Geburtstag wichtig. Ein Tag, an dem ich mein Haus mit Menschen, die mir nahestanden gefüllt haben wollte. Ich hatte alle, die mir wichtig waren eingeladen und zusätzlich ein paar, die ich aus geschäftlichen Gründen einladen musste. Da ich an meinem Geburtstag, der in diesem Jahr zudem auf einen Samstag fiel, nicht für über 70 Menschen kochen oder irgendetwas vorbereiten wollte, beauftragte ich den Catering Service, von dessen Qualität ich mich neulich bei dieser Scheidungsparty überzeugt hatte. Die letzten Tage vor meinem Geburtstag verbrachte ich wie jedes Jahr damit, mir mein eigenes Geschenk auszusuchen. Diese für viele sicher eigenartige Tradition war vor einigen Jahren dadurch entstanden, dass ich von meiner damaligen Freundin etwas geschenkt bekommen hatte, das mir überhaupt nicht gefiel. Damals fasste ich den Entschluss, dass es das Beste für alle, vor allem aber für mich sei, ich kaufte mir mein Geburtstagsgeschenk in Zukunft selbst. In diesem Jahr schwankte ich zwischen einem neuen Fernseher, da der alte in meinem neuen großen Wohnzimmer fast schon verloren wirkte und einem Satz neuer Felgen für meinen 68er Ford Mustang. Jenen Felgen, die auf Steve McQueens Mustang im Film „Bullitt“ montiert waren. Nach langem Überlegen entschied ich mich am Ende, in Anbetracht der bevorstehenden langen Winterabende, für den Fernseher. Ich las eine Unmenge von Tests und Erfahrungsberichte von Eigentümern der in Betracht kommenden Geräte in diversen Foren im Internet. Letztlich fiel meine Wahl auf einem 60 Zoll großen LED Fernseher in Silber mit allen neuen technischen Features, bis auf eine integrierte Internetkamera, die ich unbedingt vermeiden wollte, da ich sehr genau weiß, was damit alles getrieben werden konnte und der nach meiner Auffassung hervorragend in mein Wohnzimmer passte. Während ich mir den Fernseher bestellte, erinnerte ich mich an eine Unterhaltung, die ich vor kurzem mit einem Bekannten geführt hatte. Dieser trug sich ebenfalls mit dem Gedanken einen neuen Fernseher zu kaufen. Sein Vorhaben scheiterte aber am Veto seiner Frau. Dabei ging es weniger um den Preis oder technische Details, als um die Tatsache, dass Fernseher heutzutage zur Einrichtung zählen und damit der weiblichen Entscheidungshoheit unterliegen. Die Vorstellung der Diskussion zwischen den beiden vergnügte mich. Gleichzeitig war ich aber froh darüber, dass mir niemand in meine Pläne hineinreden konnte. Ein weiterer Pluspunkt meiner Strategie, es zu vermeiden, Beziehungen allzu fest werden zu lassen.

   Am Vorabend meines Geburtstags hatte ich für Maria und mich Chili con Carne gekocht. Als Maria gegen 19 Uhr zu mir kam, war sie auffällig darauf bedacht ihre rucksackgroße Handtasche sofort hinter der Garderobe verschwinden zu lassen. Wir aßen gemeinsam zu Abend und schauten im Anschluss zwei Filme an. Für meine Verhältnisse ungewöhnlich diplomatisch, durfte sich Maria einen der beiden Filme aussuchen, was sich umgehend als großer Fehler herausstellte. Ihre Wahl fiel mit „PS – Ich liebe Dich“ auf einen dieser typischen Frauenfilme, bei denen diese üblicherweise zwischen Bergen von Taschentüchern weinend vor dem Fernseher saßen und normale Männer am liebsten Zigaretten holen gingen und wenn sie klug genug waren, nie wieder zurückkehrten. Als der zweite Film, „Der Schakal“ in der weitaus besseren Originalfassung von 1971, den ich ausgesucht hatte, viertel vor Zwölf zu Ende war, fragte mich Maria, ob wir nicht in meinen Geburtstag hinein feiern wollten. Die Frage und ihr hoffender Blick mussten etwas mit dem versuchten Verstecken ihrer Handtasche zu tun haben. Zu ihrer Freude bejahte ich die Frage und ging in die Küche, um eine Flasche Sekt und zwei Gläser zu holen. Während ich die Gläser aus dem Schrank nahm hörte ich, wie Maria ihre Handtasche hinter der Garderobe hervorholte und eilig wieder zurück ins Wohnzimmer huschte. Bewusst ließ ich mir etwas Zeit, damit sie ihre Überraschung vorbereiten konnte. Als ich mit der geöffneten Flasche und den Gläsern in das Wohnzimmer zurückkam, lag eine in Geschenkpapier eingepackte, längliche Schachtel auf dem Tisch. Ich setzte mich zu Maria und schenkte unsere Gläser voll, während Maria unablässig auf ihr Handy starrte, um Mitternacht nicht zu verpassen. Punkt 0 Uhr stimmte sie dann das unvermeidliche „Happy Birthday to you“ an. Leider war es weder musikalisch, noch so sinnlich, wie es einst Marylin Monroe gelungen war. Anschließend ergriff Maria die auf dem Tisch liegende Schachtel und überreichte sie mir strahlend. Vorsichtig packte ich ihr Geschenk aus. Zum Vorschein kam eine Flasche Oban Single Malt 18 Years. Ein ziemlich teures Geschenk in Anbetracht von Marias finanziellen Möglichkeiten und der Dauer unserer Beziehung. Ich war sehr erfreut und gleichzeitig auch ein wenig überrascht über dieses Geschenk. Maria musste mir wider erwarten in die letzten Wochen gut zugehört haben, wenn ich über Whisky philosophiert hatte. Als ich Maria zum Dank umarmte war das Glänzen in ihren Augen über ihr gelungenes Geschenk deutlich zu erkennen. Wir tranken noch ein Glas Sekt und gingen dann zu Bett. Schließlich würde der folgende Abend lang werden.

   Mein Geburtstag begann mit dem üblichen neuzeitlichen Kommunikationsstress. Der Versuch einige der Glückwunsch E-Mails zu beantworten wurde immer wieder durch das Klingeln meines Telefons unterbrochen. Ich fragte mich, warum mir Menschen zum Geburtstag gratulierten, von denen ich sonst das ganze Jahr nichts hörte und die mich jetzt mit ihren Glückwünschen daran hinderten unter die Dusche zu kommen. Unterdessen kümmerte sich Maria, die heute nachdrücklich ihre hausfraulichen Qualitäten unter Beweis stellen wollte, um den inzwischen eingetroffenen Catering Service.

   Die ersten Gäste trafen gegen 20 Uhr ein. Bis kurz vor 21 Uhr klingelte es annähernd im Minutentakt an der Türe. Fast alle die ich eingeladen hatte waren gekommen, nur Geraldine war noch nicht da. Eine halbe Stunde später läutete es erneut. Diesmal stand Geraldine vor der Türe. Sie umarmte mich zur Begrüßung innig, nahm meine Hand und ging mit mir in das Wohnzimmer zu den anderen Gästen. Dort angekommen öffnete sie, ohne meine Hand loszulassen, gekonnt mit ihrer anderen Hand ihre Handtasche und holte ein Geschenk für mich heraus. Sie übergab es mir unter den Augen der anwesenden Gäste mit den Worten:
„Alles Gute zu deinem Geburtstag, mein Liebling“
und gab mir einen, für unser Verhältnis nach meinem Geschmack, etwas zu innigen Kuss auf die Wange. Offensichtlich war Geraldine heute, im Gegensatz zu ihrer sonstigen Gewohnheit immer exakt pünktlich zu sein, mit der Absicht zu spät gekommen ihren großen Auftritt zu haben, den sie sichtlich genoss. Gewicht und Größe ihres Geschenks ließen mich auf ein Buch schließen. Gespannt, für welches Buch sich Geraldine entschieden hatte, entfernte ich das Geschenkpapier. Es war eine Erstausgabe von Boris Pasternaks „Doktor Schiwago“. Nur in dieser Ausgabe waren im Anhang an den Roman die Lara Gedichte abgedruckt. Ein Buch, welches ich noch nicht besaß. Erfreut, wenn auch innerlich verwundert, warum Geraldine mir von den unzähligen Büchern, die ich noch nicht in meiner Sammlung hatte, ausgerechnet ihr Lieblingsbuch zum Geburtstag geschenkt hatte, bedankte ich mich bei ihr. Dabei bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass Maria in der Zwischenzeit aus der Küche gekommen war und sich das ganze Schauspiel angesehen haben musste. Augenblicklich überkam mich die Frage, wie die beiden heute aufeinander reagieren würden. Bei ihrem ersten Zusammentreffen, während der Scheidungsparty vor etlichen Wochen, hatte Geraldine Maria deutlich spüren lassen, wie wenig ernst sie Maria nahm. Ich hoffte Geraldine würde sich mir zu Liebe heute Abend zurückhalten. Von Maria hingegen erwartete ich ohnehin keine spitzen Bemerkungen oder ähnliches. Bis weit nach Mitternacht war die Party in vollem Gange. Ich hatte mich den ganzen Abend über mit verschiedenen meiner Gäste unterhalten und darüber Geraldine und Maria fast vergessen. Kurz nach 2 Uhr, es waren immer noch etliche Gäste anwesend, hörte ich, wie sich Geraldine und Maria in der Küche anfauchten. Ich ging durch den Flur in Richtung Küche, blieb aber, um von den beiden nicht bemerkt zu werden, an der Wand neben der Küchentüre stehen. Den Anfang dieser Unterhaltung hatte ich zwar verpasst, er war aber nicht zwingend notwendig, um mitzubekommen, worum es ging. Maria musste Geraldine ihren Auftritt übelgenommen haben. Hörbar ging es um das Wort Liebling.
„Was glaubst du eigentlich, wer du bist, dass du dir solche Sachen rausnehmen kannst?“, hörte ich Maria schimpfen.
„Wir waren schon Freunde, als du noch nicht einmal richtig laufen konntest. Niemand braucht hier eine Göre, die sich in der Rolle der Dame des Hauses versucht!“, erwiderte Geraldine in strengem Ton.
„Das Alter eurer Freundschaft kann man an den Falten in deinem Gesicht ablesen. Überhaupt, ich verstehe nicht was er jemals an dir gefunden hat? An deinen weiblichen Formen kann es nicht gelegen haben! Falls die jemals da waren, sind sie heute ein Opfer der Schwerkraft geworden. Aber vielleicht hast du bestimmte Talente, die nur bei Nacht in Erscheinung treten. Dein nicht vorhandener Esprit kann es mit Sicherheit nicht sein, das ihm an dir jemals gefallen hatte!“, giftete Maria zurück.
Kurzzeitig schien Geraldine sprachlos zu sein. Es vergingen zwei, drei Sekunden, bevor Geraldine antwortete.
„Auf ein solches Niveau werde ich mich nicht hinunterbegeben. Trotzdem, bei dir scheint der Verstand wirklich in 75 C gefangen zu sein. Ich wusste gar nicht, dass er neuerdings auf große Brüste ohne Hirn steht. Möglicherweise hast du diese Talente, die du mir unterstellst. Deine einzigen Talente, mit dem du ihn ködern kannst! Du stellst dich damit nur in die bedauernswerte Ecke des billigen, geldgierigen Flittchens. Glaubst du im Ernst er liebt dich? Du bist für ihn beliebig austauschbar! Eine Blondine, wie viele andere zuvor und viele andere nach dir“, zischte Geraldine zurück.
„Du bist doch nur frustriert, weil du es jedes Mal versaut hast, wenn du eine Beziehung mit ihm hattest und jetzt lässt er so eine Solarium gegerbte, faltige alte Schachtel ohne Hintern und Brüste und einer Stimme wie eine versoffene alte Thekenschlampe nicht mehr in sein Bett! Und übrigens, im Gegensatz zu dir sind meine Haare wirklich blond und nicht mit Aufheller behandelt! Du scheinst es wirklich bitter nötig zu haben!“. stänkerte Maria.
Ich hatte den beiden lange genug zugehört, um zu wissen, dass sie niemals Freundinnen werden würden. Kopfschüttelnd über den in meiner Küche tobenden Zickenkrieg, ging ich wieder zu den verbliebenen Gästen in das Wohnzimmer zurück. Einige Augenblicke später kehrte auch Geraldine in das Wohnzimmer zurück. Sie nahm mich beiseite und gab mir zu verstehen, dass sie glaube es sei besser, wenn sie jetzt gehen würde. Wir verabschiedeten uns und Geraldine verließ meine Geburtstagsfeier. Gleich nachdem Geraldine gegangen war, kam Maria aus der Küche zurück. In ihren Augen war diese Form von Triumph zu erkennen, den Frauen stets nach einer siegreichen Auseinandersetzung mit einer anderen Frau hatten. Geraldine musste wider Erwarten klein beigegeben haben oder, und das erschien mir wahrscheinlicher, sie hatte diese Unterhaltung abgebrochen und Maria wertete dies als Sieg.

   Als die letzten Gäste lange nach 3 Uhr gegangen waren, gingen Maria und ich, das Chaos um uns herum ignorierend, direkt ins Bett. Dort überraschte mich Maria mit der Frage, was ich an Geraldine damals gefunden hatte, beziehungsweise, was ich heute noch an ihr attraktiv finden würde. Ohne meine Antwort auf ihre Frage abzuwarten, beantwortete Maria ihre Frage selbst:
„Ihre Schultern sind vermutlich durch zu viel Sport genauso breit, wie ihre Hüften. Das wirkt unweiblich. Ihre Oberweite ist unter nicht vorhanden auszubuchen und ihr Hintern ist viel zu flach. Mittlerweile hat sie mehr Falten als eine Bulldogge. Ihre Haut ist durch das jahrelange Rauchen und ihren Solariumwahn gegerbt wie Leder. Zudem klingt ihre Stimme, wie die einer versoffenen Bardame und ihre sich selbst zu wichtig nehmende Art ist einfach unerträglich. Viel zu aufdringlich und jovial. Aber vielleicht war das vor über 20 Jahren alles ganz anders. Außerdem finde ich, dass sie ganz und gar nicht dein Typ ist.“
Maria schloss ihre Tirade mit einem provozierenden, eindeutig in Richtung Geraldine zielenden: „Nicht wahr, Liebling?“
Ich verspürte wenig Lust mich auf eine derartige Unterhaltung mit Maria einzulassen und sagte ihr:
„Lass uns ein andermal darüber reden. Ich bin wirklich müde.“
Leicht mürrisch „Gute Nacht mein Schatz“, brummelnd, akzeptierte Maria meine Weigerung mit ihr über Geraldine zu sprechen. Durch den langen Tag und das eine oder andere Glas Sekt zu viel konnte ich nicht sofort einschlafen. Ich ließ mir Marias Worte über Geraldine nochmal durch den Kopf gehen. Auf den ersten Blick war Geraldine nach wie vor eine attraktive Frau. Eine Frau, mit der die meisten Männer gerne einmal eine Nacht verbracht hätten. Doch nüchtern betrachtet hatte Maria Recht. An Geraldine waren die Jahre äußerlich, wie innerlich nicht so spurlos vorbeigegangen, wie an etlichen anderen Frauen ihres Alters. Auch mit der Beschreibung ihrer Figur hatte Maria teilweise nicht Unrecht. Jahrelang war Geraldine, wenn sie Zeit dafür hatte, fast täglich mindestens eine Stunde schwimmen gegangen, was zur Folge hatte, dass ihre Schultern tatsächlich fast so breit geworden waren, wie ihre Hüften. Das bedeutet natürlich nicht, dass Geraldine auch nur annähernd die Figur einer osteuropäischen Wettkampfschwimmerin hatte. Sie hatte nur einfach nicht diese typisch weiblichen schmalen Schultern. Hinzu kamen noch die diversen anderen speziellen Eigenschaften von Geraldine, die auch nicht unbedingt jedermanns Geschmack waren. Geraldine konnte unerwartet empfindlich sein. Manchmal sogar richtig zickig. War fröhlich und wirkte ausgeglichen, um dann wie aus heiterem Himmel sehr verschlossen zu sein. An manchen Tagen musste man außerordentlich aufpassen, was man zu ihr sagte, an anderen Tagen hingegen konnte sie über denselben Ausspruch lachen und konterte schlagfertig mit einer spitzen Bemerkung. Mitunter wechselte ihre Stimmung an einem Tage so oft, dass es wirklich anstrengend mit ihr sein konnte. Was allerdings Brüste und Po anging irrte sich Maria gewaltig. Mir hatten Geraldines kleine Brüste und ihr niedlicher Po immer ausnehmend gut gefallen und das tun sie bis heute. Zum anderen hatte Maria damit Recht, dass Geraldine nicht richtig in das Beuteschema passte, jedenfalls nicht in das, das ich mir in den letzten Jahren angeeignet hatte. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb war Geraldine für mich immer etwas ganz Besonderes. Eine Frau, die mir sehr wichtig war und die mir mehr als nur gut gefiel. Die ich weder nach rein optischen, noch nach sonst irgendwelchen Maßstäben durch eine andere Person beurteilt haben wollte. Aber nicht nur über Marias Äußerungen bezüglich Geraldine machte ich mir in dieser Nacht Gedanken, sondern auch über Geraldine selbst. Sie hatte heute auf mich äußerst gestresst und übermüdet gewirkt. Obwohl Geraldine das unnachahmlich gekonnt, wie es keine eine andere Frau die ich kannte schaffen würde, überspielt hatte, war es mir trotzdem aufgefallen. Sie hatte heute Abend viel zu viele Zigaretten geraucht und für meinen Geschmack auch zu viel Wein getrunken. Genauso die dunklen Ringe untere ihren Augen. Obgleich wie immer perfekt weggeschminkt, waren sie für mich überdeutlich zu sehen. Irgendetwas musste Geraldine in der letzten Zeit sehr beschäftigt haben und wie üblich hatte sie versucht es hinter ihrer fröhlichen und für mich nach wie vor attraktiven Fassade zu verstecken.

   Am nächsten Morgen erwachte ich kurz vor 12 Uhr. Maria, die schon lange vor mir aufgestanden war, hatte bereits fast die ganzen Ãœberreste der Party aufgeräumt, als ich in das Erdgeschoss kam. Erneut beeindruckt von Marias hausfraulichen Qualitäten, bedankte ich mich bei ihr. Allerdings fragte ich mich, ob das eine reine Gefälligkeit war oder bereits der versteckte Versuch, sich in meinem Haus heimisch zu fühlen. Aufräumen gehört definitiv nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber noch weniger mochte ich es, wenn sich Fremde in meinem Haushalt zu schaffen machten. Mit gemischten Gefühlen beobachtete ich eine Zeit ihre Umtriebigkeit, bis wir in der Bar in der Küche gemeinsam frühstückten. Im Anschluss saugte Maria noch Wohn– und Esszimmer gesaugt hatte, bevor sie mich am späten Nachmittag verließ. Sie hatte sich mit ein paar Freundinnen in einem Café verabredet und so konnte ich den Abend nutzen, in Ruhe weiter im Tagebuch des Mannes zu lesen. Anders, als nach dem letzten Eintrag vielleicht zu erwarten war, schrieb er die letzten Tage im September sehr liebevoll über seine Freundin. Offenkundig maß der Mann dieser unangebrachten Äußerung tatsächlich keine große Bedeutung zu. Womöglich hatte seine Freundin einfach nur einen schlechten Tag gehabt und er konnte diese Aussage weit besser einordnen als ich. Im Weiteren schrieb er ausführlich über einen gemeinsamen Spaziergang mit ihren Hunden und einen Ausflug, den er am Liebsten bis in alle Ewigkeit verlängert hätte und vieles mehr. Jeden Tag, wenn er sie nicht sehen konnte, notierte er die Anzahl der Stunden in sein Tagebuch, die seit ihrem letzten Treffen vergangen waren. Nicht wenige Menschen würden diese Einträge als romantisch beschreiben und die meisten Frauen, jedenfalls die meisten, die ich kenne, wären mehr als berührt, wenn sie wüssten, dass ihr Freund oder Mann so fühlt und das auch noch schreibt. Für mich aber war es hart an der Grenze des Erträglichen. Alleine die Beschreibung dieser Nacht, die ich etliche Tage zuvor gelesen hatte, welcher vernünftige Mensch macht so etwas? Bis morgens um fünf? Oder die, zugegeben liebevolle, Schilderung ihres Alltags. Wie er jeden Morgen als erstes und jede Nacht vor dem Einschlafen als letztes an sie dachte. Nein, das war nicht meine Welt und ich spürte einen inneren Widerwillen, dass sie durch das Lesen seines Tagebuchs Teil der meinigen werden könnte. Zwischenzeitlich war es draußen dunkel geworden. Ich blickte aus dem Fenster und wurde von noch mehr Romantik und Kitsch geblendet. Meine Nachbarn hatten ihr Haus in ein weihnachtliches Lichtermeer verwandelt. Ein dekorativer Overkill, den ich dem älteren Ehepaar nicht zugetraut hatte. So sehr ich die Weihnachtszeit auch schätzte, aber das war definitiv des Guten zu viel. Wie die romantischen Schilderungen des Mannes und seine fast täglichen, geheimen Liebeserklärungen an seine Freundin in seinem Tagebuch. Als ich den September, sowie die dazugehörigen E-Mails fertig gelesen hatte war es bereits weit nach 22 Uhr. So ungewöhnlich die Geschichte der Beiden bis hier war, ich hatte bislang keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, abgesehen von seinem deutlichen Missfallen ihrer Besuche bei ihrem Exfreund im Juli, die der Mann im weiteren erstaunlicherweise nicht mehr thematisierte, der diesen merkwürdigen Satz des Mannes erklären im Entfernten erklären würde. Auch die auf mich ab und an seltsam kühl wirkenden E-Mails seiner Freundin, die zusammen mit den Besuchen bei ihrem Exfreund in mir das Gefühl hervorgerufen hatten, dass diese Beziehung wenigstens zeitweise mehr eine Einbahnstraße war, genügte bei weitem nicht. Ganz im Gegenteil. Sie schienen Ende September ein einigermaßen glückliches, verliebtes Paar zu sein. Mich überkamen Zweifel, ob mein Instinkt mich nicht doch getäuscht hatte und ich nur über eine ungewöhnliche, aber Ende nicht außergewöhnliche Liebesgeschichte gestolpert war.